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Niederlößnitz
Martin Andersen-Nexö (eigtl. Martin Andersen)
Schriftsteller
Geb. 26.6.1869 in Kopenhagen/ Dänemark
Gest. 1.6.1954 in Dresden


"Wie wird man Dichter? Diese Frage ist so oft und von so verschiedenen Seiten an
mich gerichtet worden, daß ich genötigt war, mir selber über sie klarzuwerden,
obgleich sie mich nicht besonders interessierte. Ich habe nie einen Wesensunter-
schied zwischen Dichtern und anderen Menschen gesehen - es sei denn, daß der
Dichter ihn selbst erstrebte, also sich auffallend benahm. Die Frage: wie wird man Mensch, hat mich immer viel mehr interessiert, weil es mir vorkam, daß dies der einzig richtige Weg war. Je fester der Dichter im allgemein Menschlichen verankert ist, je mehr er eine Verkörperung des allgemein Menschlichen ist, desto größer wird seine Bedeutung für die Menschheit sein".
"Er ist Dänemarks Stolz und ganz Europas moralischer Besitz" sagte Thomas Mann einst über Martin Andersen-Nexö, jenen grossen dänischen Schriftsteller-Kollegen, der um die so-ziale Armut wußte, die er in seinen Werken beschrieb. Als viertes von elf Kindern wird der Sohn eines Steinmetzes in den Slums von Kopenhagen geboren. 1877 siedelt die Familie auf die Insel Bornholm über und läßt sich dort in der Stadt Nexö nieder, deren Namen der junge Andersen im Alter von 25 Jahren dem eigenen anhängt. Aus Martin Andersen wird 1894 Martin Andersen-Nexö.
In seiner Jugend verdingt er sich als Farmhelfer, Schäfer, Schumacher und Steinmetzgehilfe, besucht die Schule, lernt nebenbei Deutsch - und schreibt. Bereits 1893 erscheinen von ihm die ersten Zeitungsartikel. Von 1894 bis 1896 unternimmt er diverse Reise nach Spanien und Italien. In diesen Jahren entwickelt er sich politisch zuneh-mend zum Sozialisten.
Nach einem zweijährigen Studium an der Askov Volkshochschule absolviert Andersen-Nexö 1897 das Lehrer-examen und findet in Odense Anstellung. 1898, im Jahr seiner Heirat mit Margrethe Thomsen, entsteht sein erster Zyklus von Erzählungen unter dem Titel Schatten, gefolgt von Sühne (1899) und Eine Mutter (1900).

1901 gibt Martin Andersen-Nexö den Lehrerberuf auf und arbeitet fortan als Journalist. Zur sel-ben Zeit erscheint sein Stück Familie Frank . 1902-03 besucht er ein weiteres Mal Spanien und veröffentlicht Sonnentage. 1906 erscheinen die Bornholmer Novellen und bis 1910: Pelle der Er-oberer, ein Romanzyklus in vier Bänden über die harte Lebenswirklichkeit der Landbevölkerung um die Jahrhundertwende: der für Andersen-Nexö zum endgültigen Durchbruch als Schriftsteller wird:

"Wenn du es wirklich willst, kannst du die Welt erobern." Dieses Motto gibt der 50-jährige Lasse Karlson seinem neunjährigen Sohn mit auf den Lebensweg, als sie Ende des 19. Jahr-hunderts in der Hoffnung auf ein besseres Leben aus der Armut Schwedens nach Dänemark auswandern. Doch Lasse ist zu alt und Pelle zu jung, um eine gute Stellung zu ergattern. So bleibt ihr Traum vom gelobten Land nichts als ein Traum. Als Knecht und Viehhirte fristen sie ein sklavenähnliches Dasein auf dem Gutshof der Kongstrups, auf dem sie als Schweden zusätzlich gedemütigt und schikaniert werden. Pelle erhält sich trotz allem seine Träume und reift an seinen Erfahrungen, mögen sie auch noch so hart sein. Voller Lebensdrang erobert er sich den Kosmos seiner kleinen Welt und beschließt, der Enge des Gutshofs zu entfliehen und nach Amerika auszuwandern: Pelle will die Welt erobern.
Pelle der Eroberer wird unter der Regie von Bille August 1987 mit Max v. Sydow, Pelle Hvenegaard, Erik Paaske u.a. verfilmt. (Goldenen Palme bei den Filmfestspielen in Cannes 1988 und Oscar für den besten ausländischen Film).

In den Jahren 1910-13 fährt Andersen-Nexö wiederum nach Deutschland, 1922 zum erstenmal nach Rußland. 1923 siedelt der Dichter an den Bodensee über, kehrt aber 1930 nach Dänemark zurück. 1931 folgt eine weitere Reise in die Sowjetunion. 1933 werden Andersen-Nexös Bücher von den Nationalsozialisten verboten. 1934/35 reist er zu Schriftstellerkongressen nach Moskau und Paris. 1941, nach dem deutschen Überfall auf Dänemark, wird Martin Andersen-Nexö verhaftet. 1943-44 gelingt ihm über Schweden die Flucht in die Sowjetunion, wo er bis zu seiner Rückkehr 1945 im Exil lebt.

Die Aufgabe der Emigration ist die schwerste, aber auch die wertvollste, die es heute gibt. Wie Keime und Samen der Freiheit wehen sie über die Grenzen und bereichern die Kultur der Länder, wo sie Obdach finden. Jedes Land sollte mit offenen Armen die Emigranten aufnehmen - und dazu dankbar sein.
(Martin Andersen-Nexö, 1940)

1947 reist der Schriftsteller zum erstenmal nach Kriegsende wieder nach Deutschland. Ein Jahr darauf tritt er aus dem dänischen Schriftstellerverband aus. 1949 läßt sich Andersen-Nexö in der DDR nieder, wo er am 1. Juni 1954 in Dresden stirbt, dessen Ehrenbürger er seit 1953 ist. Am 5. Juni wird Martin Andersen-Nexö in Kopenhagen beigesetzt..